Redenschreiber & Autor

Die 12 Fragen, die sich früher oder später bei jedem Buchprojekt stellen, wenn Sie mit einem Ghostwriter zusammenarbeiten.

Frage 1:
Ich würd‘ ja schon gern, aber, ganz ehrlich, Herr Schlegel, warum soll man überhaupt noch ein Buch machen?

Nun, zum einen scheint das Buch ein nicht auszusterbendes Medium. Selbst in den digital-nativsten Kreisen ist der Wunsch weit verbreitet, ein „Buch zu machen“, das „eigene Buch“ ins Regal einzuordnen, etwas in der Hand zu haben, einen Nachweis des eigenen Wissens und Könnens zu erbringen. Vor allem hilft das Buch den Autoren, ihre Identität zu entdecken – ja, das klingt verdächtig esoterisch, aber in den vergangenen Jahren habe ich eine Reihe von Menschen erlebt, die erst mit der Buch-Werdung entdeckten, was ihnen wichtig ist, was ihre Fähigkeiten sind, in welcher Richtung sie weitergehen wollen und werden.

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Frage 2:
Worin, Herr Schlegel, besteht überhaupt die Leistung eines Ghostwriter? Tippen Sie nur ab, was Ihnen andere diktieren?

Die Leistung eines Ghostwriters besteht auch darin, Menschen bewusst zu machen, was in ihnen schlummert und was durchaus verdient hätte, sichtbar zu werden. Außerdem unterstützt der Ghostwriter dabei, einen Gedanken, eine Idee verständlich zu machen. In der Welt der Phrasen und Plattitüden, ist ein klarer Text mehr denn je ein Bollwerk der Verständlichkeit. Wer verstanden werden will, muss sich klar ausdrücken—und vor allem muss er eine klare Disposition im Kopf haben. Und da beginnt die Arbeit eines Ghostwriters. Jede Autorin, jeden Autor dazu zu bringen, sich dem mit der Frage auseinanderzusetzen: Warum will ich ein Buch machen? Was haben die Leser davon, wenn ich ein Buch mache? Das ist eine Beratungsleistung des Ghostwriters: Menschen bei der Zielfindung unterstützen. Menschen helfen, klar zu sehen. Und aus dieser Klarheit entsteht schlussendlich ein Text mit klarem Blick auf die Mehrdeutigkeiten und Widersprüche in der Welt.

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Frage 3:
Wie schreibt man einen Bestseller?

Die meisten Bücher werden keine Bestseller, die meisten Bücher lösen keine Debatten aus. Aber: Ein gutes Buch ist in erster Linie eine gute Selbstvergewisserung. Und je mehr die Autorin, der Autor sichtbar wird, desto besser das Buch. Menschen lernen von Menschen. Und ja, wenn ich als Leser weiß, mit wem ich es zu tun habe, ob ich den Autor sympathisch finde, ob ich mich identifizieren kann, lese ich weiter. Wir reden uns ja immer noch ein, es ginge darum, in einem Buch möglichst umfangreich den Nachweis zu erbringen, was man als Autor:in alles weiß und gelesen hat, um dann mit bestechender Logik, einem Fünf-Punkte-Plan und einem bis ins Detail durchdachten Aufbau die Leser:in klüger zu machen, sie zum Handeln zu bewegen, ja zu einer Lebensänderung zu bewegen. Die Leser:in will sich jedoch lieber ein Beispiel nehmen, will eine Haltung vermittelt bekommen. Studien, Literaturverweise können die eigene Botschaft untermauern – was Menschen allerdings wirklich interessiert ist das, was man nicht googlen kann.

Kurz und gut: Nehmen Sie sich nicht vor, einen Bestseller zu schreiben. Wenn es da einen sicheren Weg gebe, würden alle Verlage nur noch Bestseller produzieren. Nehmen Sie sich lieber vor, etwas zu berichten, von dem noch nicht so viele Menschen Bescheid wissen.

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Frage 4:
Wie lange dauert es, bis ein Buch geschrieben ist?

Es kommt darauf an. Und zwar, wer ihr Autor:in ist. Einmal habe ich für den CEO eines Unternehmens ein Buch geschrieben. Dieser war maximal strukturiert. Er wusste, was in das Buch rein soll, er wusste, was sein zentrales Anliegen ist und er wusste, was er mit dem Buch wollte. Wir haben uns Anfang Mai zum ersten Mal getroffen, dann noch zweimal. Die Telefonate danach waren kurz, aber präzise. Anfang Juni gab es ein Probekapitel, Anfang Juli war der halbe Text fertig, Mitte Juli das komplette Manuskript. Es waren drei Monate Textarbeit, kurz, knapp, intensiv. Heißt: Je klarer im Kopf der Autor ist, desto schneller ist das Manuskript druckfertig. Unternehmer sind da im Vorteil: Sie sind es gewohnt, schnell Entscheidungen zu treffen, und sie wissen, wen und was sie brauchen, damit es rasch geht. Und dann gibt es noch die anderen. Aber sechs Monate sind es im Schnitt. Es kann auch ein Jahr werden. Unlängst dauerte ein Buch fast drei Jahre bis zur Veröffentlichung. Aber das ist die Ausnahme.

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Frage 5:
Das Wichtigste, bevor man anfängt, ist das Inhaltsverzeichnis, oder?

Schon seit einigen Jahren arbeite ich mit dem erfahrenen Kollegen zusammen. Wenn die Frage der Autor:innen kommt, wie das geht mit dem Schreiben eines Buch, wie man es aufbauen wird, wie wir vorgehen werden, was wir zu Beginn machen werden, dann sagt dieser immer: „Das machen wir wie Clint Eastwood.“ Dann kommen die fragenden Blicken: Eastwood?

„Ja, wir reiten in die Stadt und warten, was passiert.“ Und mehr ist es in der Tat nicht. Die Idee für ein Buch zu haben ist viel entscheidender als frühe Inhaltsangaben und Kapitelstrukturen. Ja, es braucht einen Roten Faden, ja es braucht ein Ziel, wohin es gehen soll und eine grobe Struktur. Aber es ist ein Prozess. Es ist nie sicher, ob das Buch am Ende auch so aussehen wird, wie man es sich zu Beginn vorgestellt hat. Und ein zu frühes Inhaltsergebnis engt auch ein – vor allem unterstreicht es den Charakter des Abarbeitens. Als sei ein Buch eine Schulaufgabe, die man aufgebrummt bekommt und mühsam abarbeiten muss. Diese Haltung wirkt sich dann leider auch auf das Buch aus. Besser erst gute Geschichten sammeln – und dann mal sehen.

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Frage 6:
Wie ist das mit dem Feedback?

Feedback ist extrem wichtig. Die Autorin, der Autor kennen sich mit dem Thema aus, sie sollten klar sagen, was sie wollen: Gut! Schlecht! Hier mehr Zahlen. Da weniger Bilder. Da mehr Fakten. Feedback hilft dem Ghostwriter, den Autoren kennenzulernen. Jede klar formulierte und eindeutige Kommentar hilft.

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Frage 7:
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Ghostwriting und Redenschreiben?

Bei einer Rede geht es immer unmittelbare Wirkung. Mit einer Rede will ich in dem Moment etwas auslösen. Im Bundestag will ich, dass möglichst viele meinem Antrag folgen. Bei der Hochzeit will ich, dass das Brautpaar in gutem Licht erscheint und die Gäste gute Laune bekommen. Bei einer Personalversammlung will ich, dass sich Dinge ändern werden, dass sich die Mitarbeiter:innen etwas zu Herzen nehmen. In eine Rede verknüpfe ich Fakten mit Emotionen, zeige mich ehrlich oder zumindest authentisch, präsentiere Fakten und Zahlen in verträglicher Dosis, erzähle eine Anekdote, versuche das Kino im Kopf bei meine Zuhörern anzuwerfen, versuche sympathisch rüberzukommen und signalisiere mit meiner Rede, dass ich es schaffe, mich in die Lage meiner Zuhörer:innen zu versetzen.

Beim Buch, also beim Ghostwriting mache ich das im Grunde auch. Aber während ich in einer Reden Wissen und Faktenkenntnis andeuten kann – muss ich im Buchmanuskript ganz klar den Beweis erbringen und in die Tiefe gehen. Ein Buch bietet mehr Raum, mich, meine Fähigkeiten und meine Erkenntnisse darzustellen. Für die Rede schreibt man kürzere Sätze, ist pointierter, mehr auf den Punkt. Ein gutes Sachbuch wirkt durch genaue Schilderungen, verständliche Informationen, aber durchaus auch durch Tempowechsel bei der Formulierung von Sätzen, mal lang, mal kurz.

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Frage 8:
Wie gehen Sie vor? Wie ist die Zusammenarbeit, wenn es ein Buch werden soll?

Eine Buch ist zunächst nur eine Idee – und eine Vielzahl an Dokumenten, Quellen, anderen Büchern, Berufserfahrungen, Lebenserfahrungen, Anliegen, Botschaften, Vorstellungen.

Und das müsste irgendwie sortiert werden. In der Regel reicht ein Auftaktworkshop, zwei bis drei Stunden, in dem man einen roten Faden entwickelt und das Ziel des Buches diskutiert. Und auch was ein Kernbotschaft sein könnte, was der Leser davon hat, an wen sich das Buch überhaupt richtet, was das Buch leisten kann usw. Das sind meist sehr einfache Fragen, die aber zu hilfreichen Antworten führen. Manchen hilft es auch, schon vorab einen Klappentext zu formulieren. Und wenn diese grobe Richtung gefunden ist, wenn es eine grobe Struktur gibt, dann gilt es, die Mengen an Inhalt zu sortieren, zu sammeln – und letztendlich einzudicken. Wenn diese Auftakt gut verläuft, kann man einmal die Woche, einmal in zwei Wochen telefonieren, dann entsteht Text, dann Feedback, dann der nächste Text usw. Wenn ein Verlag von Anfang dabei ist und der Verlag sehr klare Vorstellungen hat, wie er Thema und Autor:in positionieren will, muss an Kompromissen gearbeitet werden. Da der Verlage, der Bücher verkaufen will - auf der anderen Seite die Autor:innen, die Wissen und Kompetenzen darlegen wollen. Und dazwischen der Ghostwriter.

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Frage 9:
Haben Sie eigentlich irgendwelche Erfolge als Ghostwriter vorzuweisen?

Bücher, vor allem Sachbücher sind meist das Werk vieler Menschen. Es gibt zum einen die Autor:innen, die Ghostwriter:innen, dann es gibt Lektor:innen, Gestalter:innen, Grafiker:innen, Editorial Designer:innen, Projektmanager:innen, auch PR-Leute, alles sind irgendwie am Gelingen eines Buchs beteiligt. Der Erfolg eines Buch ist immer die Summe vieler Einzelleistungen, vor allem das Sachbuch. Und eigentlich ist jedes fertig geschriebene Buch schon ein Erfolg. In den seltensten Fälle ist es ja so, dass „man das einfach nur runterschreiben“ kann. Vielmehr gibt es den Wunsch, ein Buch zu machen, vielleicht schon eine Idee, ein Gedanke, und aus diesem Wenigen wächst dann – unter Einbeziehung zahlreicher Gewerke – ein komplettes Buch. Ich war an Büchern beteiligt, die Preise gewonnen haben, auch an Büchern, die sich gut verkauft haben. Aber oft hängen Verkaufszahlen auch von der Prominenz der Autor:innen ab. Wer in Sozialen Netzwerken eine ordentliche Reichweite aufgebaut hat, wer bekannt ist aus Politik oder TV, mit dem lassen sich leichter Bücher verkaufen. Auf der anderen Seite bieten die digitalen Kanäle heute auch unbekanntere Autor:innen und deren Bücher die Chance große Reichweite zu bekommen. Und um auf die Fragen zurückzukommen: Erfolg ist, wenn man als Ghostwriter weiterempfohlen wird.

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Frage 10:
Mal ganz offen gefragt, hat auch ein Buch mal nicht geklappt? Gab es Streit?

Also im Streit bin ich noch nicht auseinander gegangen. Es ist nicht immer einfach, sicher, man arbeitet über mehrere Monate zusammen. Für das Buch werden Geschichten, Einblicke, Weisheiten gebraucht, aber die kommen nicht auf Knopfdruck. Einerseits geht ein Autor davon aus, er habe so viel zu erzählen und „massenhaft“ Geschichten und Erlebnisse. Und beim Schreiben selbst stellt sich heraus: das war gar nicht so viel. Dann muss man tiefer graben, aber nicht jeder will, dass tiefer gegraben wird, es sei doch „genug Material da“. Als Ghostwriter ist man aber der „Anwalt des Lesers“ und als dieser findet man die Dinge oft nicht halb so spannend wie die Autor:in. Es ist ein permanentes Abwägen, wovon hat die Leser etwas haben könnten oder ob etwas nur dazu dient, Seiten zu füllen. Immer wieder die Fragen: Was wäre wichtig zu erfahren, worüber muss man hinweggehen, weil man sich verlieren würde? Allein diese Fragen haben ordentlich Konfliktpotenzial. Das sind manchmal durchaus Kontroversen. Aber dass man wutschnaubend, mit hochrotem Kopf auseinandergeht, dass das Zoom für immer dunkel bleibt und Mails nicht beantwortet werden, nein, das habe ich nicht erlebt.

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Frage 11:
Was haben Sie eigentlich gelernt? Wie wird man eigentlich Ghostwriter?

Also schreiben und formulieren können, das wäre nicht schlecht. Aber nicht jeder der schreibt ist auch geeignet, als Ghostwriter zu arbeiten. Schon gar nicht, wenn man gewohnt ist, dass der eigene Name über oder unter einem Text steht wie im Journalismus. Tatsächlich muss die Eitelkeit etwas eingedampft werden. Ich war lange Journalist und Journalismus hilft bei der Buchentwicklung, z.B. Fragen zu stellen, auch unangenehme Fragen, tiefer zu bohren, zu recherchieren. Und so genau zuhören, dass  man bemerkt, wann es interessant wird, wann etwas erwähnt wird, hinter dem eine gute Geschichte stecken könnte. Diese Momente sollte man nicht verpassen. Was ein Ghostwriter in jedem Fall braucht ist eine gewisse Empathie, Zuhören können, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen – und ganz wichtig: In der Lage zu sein, die Perspektive zu wechseln. Sich der Frage stellen, wie es der Gegenüber sehen könnte. Und vor allem auch: Nicht einfach aufschreiben, was der Autor:in vorschwebt, sondern es so aufschreiben, dass es für Leser:innen interessant ist. Da braucht es diplomatisches Geschick, weil man als Ghostwriter häufig zwischen den Interessen des Verlags und den Interessen der Autor:innen eingeklemmt ist. Man weiß, was der Verlag will, weiß, was der Autor will, und weil das nicht immer dasselbe ist, muss man irgendwie „Brücken bauen“, um „Verständnis werben“ – und letztendlich das so machen, das beide Seiten zufrieden sind.

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Frage 12:
Was sind so Ihre Themen? Oder können Sie über alles schreiben?

Es ist ein bisschen anmaßend zu sagen: Gib mir ein Thema, ich recherchiere das und mach einen Text. Das funktioniert so halbwegs bei kurzen Texten, bei Reden, Statements, Meinungsartikeln, Op-eds, Blogposts, LinkedIn-Beiträge. Da kann man als Ghostwriter oder eben Redenschreiber inhaltlich mehr auf der Oberfläche surfen und muss nicht alles im Detail durchdrungen haben. Ein Buch ist etwas anderes, tiefer, fundierter, ausführlicher. Wenn Leser daraus etwas lernen sollen, wenn sie das Geschriebene inspirieren soll, müsste der Ghostwriter schon wissen, wovon er schreibt oder zumindest in der Lage sein, das was dem Autor vorschwebt so zu „übersetzen“, dass es verständlich ist. Klar, es gibt immer ein Gefühl für Themen. Wenn man bei sich selbst merkt, das interessiert mich sehr, steigt auch die Bereitschaft zu recherchieren, in die Tiefe zu gehen. Ich habe Bücher zu außenpolitischen Themen, zu Digitalisierung, Bildung, HR, Gesundheit, Unternehmertum, Landwirtschaft, Ökonomie, Klima gemacht, auch Lebenshilfe oder Beratung. Biografien sind natürlich immer spannend, wenn es gilt, das Leben eines Menschen so nachzuerzählen – und das so, das andere etwas davon haben. Das ist ohnehin das eigentliche Thema beim Ghostwriting: andere sollen etwas davon haben.

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